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NACH DEM PIIIP!

„Es ist niemand zu Hause. Sie können uns eine Nachricht hinterlassen. Wir rufen zurück.“ ......Prrriiii.....prrriii... „Hallo, hier ist Pablo, der Vater von Winett. Ich wollte fragen, ob Sonja zu uns kommen kann, um mit Winett zu spielen. Ich kann sie abholen und sie später wieder mit dem Fahrrad zurückbringen. Bitte geben Sie mir Bescheid, ob das möglich ist.“ Den Anruf habe ich mit dem internen Telefonbuch des Telefons gemacht, auf dem einige Nummern mit Kontakten gespeichert sind. Nachdem aber eine Weile verstrichen war und ich noch keine Antwort von Sonjas Eltern hatte, suchte ich erneut die Nummer, dieses mal in meinem Notizbuch. Dort entdeckte ich, dass ich die falsche Nummer gewählt hatte. Es gab zwei Sonjas. Die eine war Winetts Spielkameradin, die andere eine 65jährige Freundin von mir. Also noch ein Anruf: „Hallo Sonja. Ich wollte nur Bescheid geben, dass es nicht nötig ist, dass Du heute zu uns kommst, um mit Winett zu spielen. Und mach Dir keine Sorgen. Ich habe auch nicht vor, Dich mit dem Fahrrad nach Hause zu bringen.“

Solche Anrufbeantworter sind schon recht praktische Geräte und aus meinem Leben in Deutschland, in dem selbst die Freundschaftsbeziehungen meiner Kinder mit Terminen geregelt werden müssen, inzwischen überhaupt nicht mehr wegzudenken, wenngleich ich ab und zu den alten Zeiten in Chile nachtrauere, in denen man einfach bei Freunden vorbeischneien konnte und obendrein jederzeit herzlich willkommen war.

Mit Anrufbeantwortern hatte ich schon einige verwirrende Erfahrungen, die es wert sind, erzählt zu werden. Mit meinem ersten Anrufbeantworter verbrachte ich Stunden, um das Gerät zum Funktionieren zu bringen. Nach mehreren Fehlschlägen gelang es mir endlich, mein holpriges Deutsch in die knappe, mir zur Verfügung stehende Zeit zu pressen und so nahm ich, in der Überzeugung, inzwischen zum professionellen Ansager mutiert zu sein, meinen vorerst letzten Anlauf: „Allo, ich bin nicht zu Hause. Sie kennen mirrr eine Nachrrrichten interrlassen oderrr auch ein Schax fick......... “ Weiter kam ich nicht und nach einer Millisekunde der Verblüffung mußte ich losprusten und der Rest meiner Ansage war ansteckendes, schallendes Gelächter. Mein Versprecher trug denn auch für ein paar Tage zur allgemeinen Erheiterung meiner Freunde bei, bis ich - nach einigen Sprechübungen - eine professionellere Ansage ablieferte.

Nicht nur die Ansage, auch manche Nachricht ist es wert, in die Analen der Geschichten rund um den Anrufbeantworter einzugehen. Eine davon lautete wie folgt: „Hallo Pablo. Ich bin auf der Polizeistation. Ich bin heute am Frankfurter Flughafen angekommen. Bei der Zollkontrolle haben sie mir ein paar Büchsen mit Locos* und ein paar Stäbe getrockneter Machas* abgenommen, die ich mitgebracht hatte. Am Ausgang ist mir meine Brieftasche geklaut worden. Ich bin mit der S-Bahn Richtung Hauptbahnhof gefahren und dort haben mich zwei Typen in Zivil nach meiner Fahrkarte gefragt. Weil ich keine hatte, baten sie mich um meinen Ausweis, weil ich den auch nicht hatte, forderten sie mich auf, 60,- DM zu zahlen, weil ich auch die nicht hatte, musste ich sie begleiten. Jetzt bin ich hier in Gewahrsam und unterhalte mich mit dem Chef über die Locos* in Chile. Könntest Du mich mit 60,- DM und Deinem Pass hier abholen?“

Er hatte weder seinen, noch den Namen des Polizeireviers genannt, also durchforstete ich mein Gedächtnis nach den Tonfällen der Stimmen meiner chilenischen Freunde und fand schnell denjenigen, der von allen der Abgehobenste war und am nächsten bei den Sternen wohnte. Es war niemand anderer, als mein Freund Rubén, der Dichter, den ich schon seit über 10 Jahren nicht gesehen hatte. Nach ein paar strategischen Überlegungen und verschiedenen Anrufen brachte ich in Erfahrung, dass er auf der Polizeistation des Hauptbahnhofs auf mich wartete. Man könnte also sagen, dass ich dank der praktischen Erfindung des Anrufbeantworters meinen Freund vor einer Nacht im Kittchen und den Hauptwachtmeister vorm Durchdrehen gerettet habe, denn sich mit meinem Dichterfreund über die Locos in Chile zu unterhalten, ist zum einen unendlich und zum anderen selbst für den gewitztesten Psychoanalytiker eine echte Herausforderung.

Winetts Schulfreundin Sonja kam zum Spielen, ich brachte sie mit dem Fahrrad nach Hause und bei meiner Rückkehr fand ich folgende Nachricht: „Hallo Pablo, ich wollte Dir nur sagen, dass ich keine Erlaubnis bekommen habe, heute zu Dir zu kommen, um mit Deiner Tochter zu spielen. Du kannst also das Fahrrad getrost stehen lassen. Für ein anderes mal mußt Du mich aber mit dem Auto abholen und zurückbringen. Du weißt doch sicher noch, dass ich seit einiger Zeit in Hamburg lebe.“

*Locos sind berühmte, an der chilenischen Küste vorkommende, große und schmackhafe Muscheln, gleichzeitig ist die literarische Übersetzung des Wortes „Locos“ aber auch „Verrückte“.

* Machas sind ebenfalls Muscheln. Eine Spezialität der chilenischen Insel Chiloé sind auf Stäbe gesteckte, getrocknete Machas.